Frühling wie damals

Immer wenn die ersten warmen Sonnenstrahlen hervorkommen und die Luft so ist, dass man mit offenen Fenstern Auto fahren kann, holt mich meine Jugend ein. Sie ist dann ganz plötzlich da und platzt ohne anzuklopfen mein Leben, geht ohne zu grüßen an die Musik und legt ihre eigenen Nummern auf. Und sie dreht die Lautstärkeregler bis kurz unter die Schmerzgrenze. Gnadenlos. Und was mache ich? Werfe ich diesen ungehobelten Gast umgehend wieder raus, wie man es sich erwarten würde?

Nö. Ich freue mich, genieße seine Wiederkehr und singe die alten Lieder von damals lauthals mit, die Texte sitzen noch, die Melodien und das Timing auch. 

Und dann geht es mir ein bisschen wie Goethe, die schwankenden Gestalten nahen sich wieder, aber ich will sie nicht fernhalten. Ich will sie nur noch einmal betrachten. Balasz, der das Sportgym abgebrochen hat oder rausgeflogen ist – “Anarchie für Wels und die Welt” stand groß auf seinem Rucksack. Seine Schwester Lilli, deren Augen damals für zwei Wochen die schönsten der Welt waren und von der ich irgendwo noch ein Foto haben müsste. Phil, der stundenlang auf seinem Didg spielen konnte und das auch tat. Hackl immer mit Iro und Ketten  und Nieten… Sie sind alle unendlich weit weg und können sich vermutlich nicht einmal an mich erinnern. Sie sind sicher erwachsen, haben einen Beruf und Familien und nur einmal im Jahr, zum Frühlingsbeginn, werden sie wieder jung, ohne es zu bemerken. 

Ich vermisse sie nicht, aber ich denke unglaublich gern an diese unbeschwerten, sonnigen Jugendfrühlingstage im Urbann, im Schl8hof, im Burggarten oder am Mühlbach in Wels zurück. Es riecht und schmeckt und klingt alles wie damals, als alles noch neu und unbekannt war.  Eine Mischung aus dem blühenden Flieder und den Rosenbüschen, dem verbotenen Rasen, dem billigen Rotwein aus der Zweiliterflasche, gemischt mit noch billigerem Cola. Plötzlich steigt auch der Geruch von Kräuterfrischkäse auf, Regina hatte den immer dabei, sie teilte den Zehnerpack Semmeln mit allen, die sie haben wollten. Manchmal wird alles so deutlich, dass ich es beinahe auf der Zunge spüren kann. 

Damals… ja damals… als alles noch neu und unbekannt war, als alles, was wir taten, noch keine Konsequenzen hatte, als wir unsere Jugend in Wels lebten.

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